Vom Durchforsten des unerschöpflichen Fundus visueller Kultur

Ulrike Prusseit ist Malerin und visuelle Sammlerin. Sie schafft Werke auf Leinwänden, auf deren Flächen sie verschiedene Medien übereinander und ineinander legt. Hier treffen malerische Gesten auf ausgeschnittene Bildfragmente aus Hochglanzmagazinen, Headlines des aktuellen Zeitgeschehens auf historische Referenzen. Die visuellen Geschichten, die in diesen Zusammenführungen entstehen, sind nicht linear – sie sind überlagert, umfassen Gleichzeitigkeiten verschiedener, teils disparater Ausdrucksmodi. Im Mittelpunkt steht immer der Topos des menschlichen – weiblichen – Körpers.

 

Ulrike Prusseits Werkprozess wird kontinuierlich begleitet vom Durchforsten des unerschöpflichen Fundus visueller Kultur. In historischen und aktuellen Magazinen und Zeitungen findet sie Abbildungen, die sie zerschneidet, wie Körper, die sie in Einzelteile zerlegt. Aus ihrem ursprünglichen Kontext entnommen, werden sie in ihren Bildfindungen in neue Bedeutungszusammenhänge überführt. Der weibliche Körper fungiert hier als Symbol innerer Vorgänge und Gedankenwelten und ebenso als Projektionsfläche äußerer sozialer Zuschreibungen.


Weiblich zugeschriebene Attribute der Kleidung finden Eingang in das Bildgeschehen und werden auf ihre Bedeutungen hin befragt, wie in dem Werk HeldinnenEpos von 2022: Eine ausgeschnittene schwarz-weiß-Fotografie zeigt zwei weibliche Beine von den Waden abwärts, die Füße in High Heels und in einer Vorwärtsbewegung begriffen. Um die Waden herum wurde ein malerischer Ring gelegt – verhindert er das Fortkommen? Oder macht er es nur herausfordernder? Immer wieder auffallend in Prusseits Werken sind auch die Augen, der Blick. Uns anschauende Augenpaare ebenso wie verhüllte Gesichter, fordernder Augenausdruck und verdeckte Lider ziehen sich durch ihr Œuvre. Der Blick, anwesend und abwesend, fungiert hier als Verbindung zwischen innen und außen: der Gedankenwelt und der äußeren Wirklichkeit, des Bildraums und des realen Raums.

 

Die aus Einzelteilen konstruierten Figuren deuten auf die Vielheit menschlicher Selbsterfahrung, sie stellen die Frage nach dem Subjekt und den Möglichkeiten von fluider Identitätskonstruktion. Die harten Schnitte der Bildfragmente sind dabei eingebettet in amorphe fließende Übermalungen. In gedeckten Farben finden sich oft architektonische Andeutungen, die eine Räumlichkeit, einen Handlungsort für die Figuren schaffen. Immer wieder sprechen Prusseits Bilderzählungen auch von der Welterfahrung der Künstlerin, dem Echo des sozialen Geschlechts auf das Leben. Zumeist sind die Darstellungen keine Selbstporträts. Durch die Auseinandersetzung mit den eigenen Innenwelten und grundsätzlichen Daseinsfragen ist Prusseit jedoch als Persönlichkeit und als Künstlerin anwesend, wie in the artist is present von 2021.

 

Luisa Heese, 2024